Reinszenierung der Kindheit durch Entwicklungstrauma

Wenn wir an einem Entwicklungstrauma leiden, dann inszeniert unser System unbewusst Situationen, in denen wir uns genauso fühlen, wie bereits als Kind.

  • wir haben mit Menschen zu tun, die den Bindungspersonen aus der Kindheit charakterlich und das Verhalten betreffend ähneln

  • im sozialen Gefüge nehmen wir die Rolle ein, die wir bereits als Kind innehatten

  • wir befinden uns in ähnlichen Lebenssituationen, wie in der Kindheit und erleben diese Situation genauso wie als Kind.

Warum ist das so? Und was können wir tun, damit wir die gleichen Erfahrungen nicht immer und immer wieder machen müssen?

Das erfährst du in diesem Artikel.

Was bedeutet Reinszenierung

Inszenieren” nennt man das Aufführen eines Theaterstücks. Und die Vorsilbe “re” beschreit die Wiederholung.

Die Reinszenierung ist also die wiederholte Aufführung eines Theaterstücks.

Warum Theaterstück? Das ergibt Sinn, wenn man sich die Welt wie folgt vorstellt:

Die handelnden Personen sind Figuren, welche mit ihren Rollen verhaftet sind und diese ausleben. Und die Rollen wiederum bestimmen die Handlung - also was passiert. Sobald es zur Interaktion der Figuren kommt, entsteht die Rollendynamik. Wie in einem Theaterstück.

Reinszenierung der Kindheit bedeutet nun, dass als Erwachsener ähnliche Figuren, in ähnlichen Rollen erscheinen und eine ähnliche Handlung auslösen.

Und dass wir uns in einer ähnlichen Rolle, wie als Kind wiederfinden und sich die interaktiven Dynamiken entsprechend ebenfalls ähneln.

Wie entstehen diese Rollen?

Eine Rolle einzunehmen ist unausweichlich und jedem Säugetier biologisch gegeben. Wenn wir keine Rolle spielen möchten, ist das unsere Rolle.

Selbst wenn wir uns aus menschlicher Interaktion vollständig zurückzögen, würden wir uns mit einer Rolle in der in unserem Gehirn automatisch generierten Welt identifizieren.

Unsere erste und prägenste Rolle bildet sich in den ersten drei Lebensjahren aus:

  • das brave Mädchen

  • der böse Junge

  • der schüchterne Bursche

  • die kleine Dramaqueen

  • der Sündenbock

  • die Alleinunterhalterin

  • der Außenseiter

  • die Ruhige

  • der Starke

  • usw.

Im Idealfall entspricht die Rolle unserem Wesenskern. Dann leben wir unser Inneres nach Außen aus und können in unserer Rolle glücklich und zufrieden leben.

Meistens ist die von uns inszenierte Rolle jedoch konditioniert. In diesem Fall verzerrt sich unser Wesenskern. Das Leben macht uns dann unglücklich und unzufrieden, weil wir nicht -wir selbst- sein dürfen. Zum Beispiel:

Als Kind wird uns jegliche Wut aberkannt. Wir dürfen dieses Gefühl nicht zum Ausdruck bringen. Wenn wir uns gegen Übergriffigkeit berechtigterweise wehren wollen, werden wir dafür bestraft.

Wenn wir dagegen immer lieb und brav sind, werden wir belohnt. Das nennt man Konditionierung.

Wir finden in diesem Prozess unsere konditionierte Rolle als liebes, braves Kind, welches jedoch nicht dem Wesenskern entspricht und einen gesamten Gefühlsraum unterdrückt.

Und mit dem zwanghaften Unterdrücken der Wut als Kind verliert der Mensch die Wehrhaftigkeit vollständig. Dies wird später im Lebens von übergriffigen Menschen ausgenutzt - Reininszenierung!

Ein anderes Beispiel:

Wir dürfen nicht traurig sein. Dieser natürliche Gefühlsraum wird uns abgesprochen. Nur wenn wir stark sind, bekommen wir positive Aufmerksamkeit:

Ein Indianer kennt keinen Schmerz”.

Wir nehmen auch hier in der Not die Rolle an, auf die wir konditioniert wurden.

Auch hier spalten wir einen gesamten Gefühlsraum ab. Wir werden kalt und hart, auch wenn wir im Wesenskern eigentlich sensibel und weich sind.

Wie die innere Welt die Kindheit neu inszeniert

Vielleicht hast du schon einmal gehört, dass die äußere Welt ein Spiegel der inneren Welt darstellt?

Das ist ganz richtig. Mit unseren - aus unserer Rolle generierten - Denkmustern, Reaktionsmustern und Verhaltensmustern bilden wir unsere innere Welt und nehmen gleichzeitig maßgeblichen Einfluss auf die äußere Welt - diese beeinflusst natürlich wiederum die innere Welt.

Die Reinszenierung der Kindheit findet also sowohl im Inneren, als auch im Außen statt.

Beispiel: Eine Freundin sagt ein länger geplantes Treffen kurzfristig via WhatsApp ab. Begründung: sie fühlt sich nicht wohl.

In der Rolle der Dramaqueen könnten Gedanken entstehen wie:

“Sie hat ja nur keine Lust. Sie lügt.”

Und Gefühle von Wut und Hass könnten entstehen. Dahinter steckt jedoch eine tiefe Traurigkeit und emotionale Verletzung.

Vermutlich hatte die Mutter in ihrer Kindheit öfter gelogen und Verabredungen nicht eingehalten.

Dieser alte, unverarbeitete Schmerz kommt in der Situation hoch.

Die Dramaqueen reagiert jetzt vielleicht beleidigt.

Bestrafend beantwortet sie die Absage gar nicht und “lässt die WhatsApp-Nachricht auf gelesen”. Damit zeigt sie der Freundin passiv-aggressiv, dass sie sauer ist - Drama!

Der Freundin ging es wirklich nicht gut und sie hielt das “Ghosting” für unangemessen - die Freundschaft zerbricht.

Die Reinszenierung ist, dass sich die Dramaqueen hier in ihrer dramatischen Rolle befindet, sie die Gefühlsräume aus ihrer Kindheit durchlebt (Wut, Hass, Verletzung)

sich im inneren Empfinden in der gleichen Situation wie als Kind befindet (sie wird im Stich gelassen und angelogen)

und ihre Freundschaft zerbricht wie es ihr bereits als Kind ständig passierte (eigener Einfluss durch unverhältnismäßige Behandlung).

Nehmen wir an der Sündenbock wäre in der gleichen Situation: Ein Freund sagt ein Treffen kurzfristig ab.

Der Gedanke wäre vielleicht: “Er mag mich doch nicht so. Bestimmt möchte er sich nie wieder treffen.

Ich wusste ich hätte ihn nicht so bedrängen sollen und nach einem Treffen fragen sollen. Ich bin so dumm.”

Die Gefühle dazu wären entsprechend: Trauer, Schuld, Scham, Verzweiflung und Depression

Und die Reaktion möglicherweise ein Rückzug aus dem Kontakt. Die Folge ist Einsamkeit.

Und diese Einsamkeit verstärkt die o.g. Gefühle.

Auch bei diesem Beispiel inszeniert sich die Kindheit aufs Neue durch die innere Welt.

Die gleichen Gedanken (“ich bin Schuld”), die gleichen Gefühle (Trauer, Schuld) und die gleiche Situation wie als Kind (Einsamkeit) sind die Folge.

Nehmen wir an, wir hätten eine gemäßigte Kindheit durchlebt und unseren Wesenskern als “entsptanner und selbstbewusster Mensch” ausleben können, dann wäre die innere und äußere Reaktion ganz anders ausgefallen:

Gedanke: “Oh man, der Arme. Ich hoffe er ist bald wieder fit. Was ihm wohl fehlt?!”

Gefühl: Mitgefühl, Bedauern

Reaktion: WhatsApp-Nachricht mit dem Inhalt: “Das tut mir leid. Ich hoffe du bist schnell wieder fit. Wenn ich dir helfen kann, dann sag’ mir Bescheid.”

Eine Woche später treffen sich die beiden und alles ist gut.

Auch hier reinszeniert sich die Kindheit: Alles ist in Ordnung, alles ist entspannt, Freundschaft und Gesellschaft. Im Inneren - wie auch im Außen.

Genauso wie es der Erfahrung aus der Kindheit entspricht: Menschen sind ehrlich und entspannt.

Warum tauchen immer ähnliche Menschen in meinem Leben auf?

Viele Frauen sagen mir in der gemeinsamen Traumaarbeit:

“Ich ziehe immer nur die toxischen Typen an. Die nutzen mich nur aus.”

Und es stellt sich in der Regel heraus, dass der Vater (oder die Vaterfigur) toxisches Verhalten an den Tag legte. Und dass der Vater die Mutter ausnutzte.

Unser Bindungsmuster bildet sich maßgeblich entsprechend der Erfahrungen aus der Kindheit.

Und die Beziehung der Elternfiguren ist die Referenz für “Beziehung” im Allgemeinen.

Wir stellen also nicht nur unsere Kindheit nach, sondern oft auch das Leben und Verhalten der Eltern.

Und wir werden von den Umständen aus der Kindheit magisch angezogen.

Nehmen wir an ein Mädchen wurde von ihrem Vater unterdrückt und beschämt.

Dann wird sie sich unbewusst zu einem Mann hingezogen fühlen, der das Gleiche mit ihr macht.

Denn die Frau sehnt sich unterbewusst nach den Gefühlen und Umständen aus der Kindheit.

Auch wenn sie leidvoll waren - sie sind gewohnt!

Wie können wir die Reinszenierung der Kindheit verhindern?

Es ist unmöglich zu versuchen die Umstände oder Situationen zu ändern. Auch “gute Vorsätze” werden nicht funktionieren. Nach dem Motto:

“Nie wieder so ein toxischer Typ.”

Denn die tief sitzenden Bindungs- und Verhaltensmuster sind stärker als der bewusste Verstand.

Die Lösung liegt in der Veränderung der weiter oben beschriebenen “inneren Welt”.

Durch Arbeit auf der Körperebene, der Mentalebene und der Gefühlsebene kann die innere Welt so verändert werden, dass sie die Kindheit nicht mehr reinszeniert.

Geeignet dazu ist die Deep-Connect-Methode.

Wenn du dich jetzt darüber informieren möchtest, dann klick gerne mal auf den Button hier:

Alexander Bohley

hilft Menschen aus Bindungs- und Entwicklungstrauma

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