Bindungstrauma: die zwei Archetypen

Als Kind befinden wir uns in einer natürlichen Bindung mit unseren Eltern. Und in diesem Kontext haben wir immer zwei übergeordnete Bedürfnisse:

Sicherheit und Eigenständigkeit.

Wenn eines dieser Bedürfnisse dauerhaft unerfüllt bleibt, dann entsteht ein so genanntes Bindungstrauma.


Sicherheit bekommt das Kind durch Nähe, Aufmerksamkeit und (emotionale) Verfügbarkeit.

Eigenständigkeit (Autonomie) durch Vertrauen, Loslassen und Akzeptanz der altersgemäßen Selbstständigkeit.


Wenn das Kind nicht genügend Sicherheit vermittelt bekommt, dann kann ein Heteronimie-Trauma entstehen.

Wenn das Kind sein Bedürfnis nach Eigenständigkeit nicht ausreichend ausleben kann, dann kann ein Autonomie-Trauma entstehen.


Entsprechend dieser Kindheitsprägung verhält sich der Mensch auch als Erwachsener in Bindung. Also zum Beispiel in Beziehungen oder Freundschaften.


Hetoronomietyp: die Beschreibung

Die größte Angst des Heteronomietypen (auch Verschmelzungstyp genannt) ist der Verlust von Sicherheit in der Bindung.

Deswegen kreisen seine Gedanken um die aktuelle Bindungsperson und die Beziehung zu jener.

Kleinigkeiten reichen aus, um die Unsicherheit im Heteronomietypen auszulösen.

Typisches Beispiel: die Bindungsperson antwortet länger nicht auf eine WhatsApp-Nachricht.


Der Heteronomietyp neigt zum Gefühlsspektrum von Wut, wenn sein Bedürfnis nach Sicherheit von der Bindungsperson nicht erfüllt wird.

Außerdem kann er versuchen die Beziehung über Manipulation zu sichern. Beispielsweise in dem er sein Verhalten anpasst oder die eigenen Bedürfnisse unterdrückt.

Der Heteronomietyp leidet häufig auch an einer “Beziehungssucht” und Einsamkeit, wenn Bindung nicht ausreichend möglich ist.


Der Teufelskreis des Heteronomietypen ist, dass er durch seine Verlustangst und Bedürftigkeit Distanz zur Bindungsperson erzeugt. Dieser Abstand verursacht jedoch mehr Unsicherheit.


Autonomietyp: die Beschreibung

Die größte Angst des Autonomietypen ist der Verlust der Eigenständigkeit.

Er gibt lieber Bindung auf, als Gefahr zu laufen, dass die eigene Autonomie eingeschränkt wird.

Deswegen kreisen die Gedanken primär um sich selbst. Mental grenzt sich der Autonomietyp damit von seiner Bindungsperson ab.


Kleinigkeiten reichen aus, um die Angst vor Autonomieverlust auszulösen. Zum Beispiel wenn die Bindungsperson ein Nähebedürfnis signalisiert.

Es kann bereits die Frage nach einem Treffen ausreichen, um einen Fluchtimpuls im Autononomietypen zu aktivieren.

Nur wenn der Autonomietyp die vollständige Kontrolle über Nähe und Distanz behält, fühlt er sich in einer Bindung (relativ) sicher.


Das primäre Gefühl des Autonomietypen ist Trauer. Scham- und Schulgefühle sind häufig oberflächlich wahrnehmbar.


Die Eigenständigkeit beschützt der Autonomietyp über (emotionale) Distanzierung. Um das zu erreichen kann auch Manipulation angewandt werden. Zum Beispiel beleidigt der Autonomietyp die Bindungsperson, so dass diese wütend wird. Das gibt dem Autonomietypen die Legitimation zur Distanzierung.


Der Teufelskreis des Autonomietypen ist, dass er durch seine (emotionale) Unverfügbarkeit eine Art Sucht in der Bindungsperson auslösen kann.

Dadurch reagiert der Andere mit einem besonders großen Nähebedürfnis. Das wiederum verstärkt die Angst vor dem Verlust der Eigenständigkeit.


Wie entsteht der Heteronomietyp?

Meistens ist die Art des Bindungstraumas auf die Mutter zurückzuführen. Wenn diese Autonomietyp war - und entsprechend distanziert - dann neigt der Mensch dazu zum Verschmelzungstypen zu werden.

Da wir als Kind Nähe für unser Sicherheitsempfinden benötigen, gerät das Kind in eine innere Not.

Und um diese zu stoppen, wird das Kind alles tun, um Nähe und Aufmerksamkeit von der Mutter zu erhalten.

Wenn dies mit dem Ausdruck Wut funktioniert hat, dann wird der Mensch diese Strategie auch in erwachsenen Beziehungen beibehalten.

Wenn das Unterwerfen und Recht machen besser funktionierte, dann wird das im weiteren Verlauf des Lebens die Strategie der Wahl sein.


Wenn die Bindungsperson (häufig die Mutter) emotional oder zeitlich nicht ausreichend verfügbar war, dann entsteht ein Heteronomie-Trauma. Denn das Kind fühlt eine große Angst vor Verlust.

Der Verlust der Mutter würde in der Natur zum sicheren Tode führen.

Und deswegen ist die Angst des Kindes eine Todesangst, die entsprechend natürlicherweise zum Trauma führt.

Diese Todesangst speichert sich im Nervensystem ab. Und wenn der Verlust einer Bindungsperson droht, dann aktiviert sie sich.


Wie entsteht der Autonomietyp?

Mit drei Monaten beginnt ein Baby bereits mit dem ersten Impuls nach Eigenständigkeit. Es erlebt sich erstmals als getrennt von der Mutter. Und als Individuum möchte es auch eigenständig die Welt erkunden.

Dieses Bedürfnis nach Autonomie steigert sich in den nächsten Lebensmonaten.

Mit etwa 2 1/2 Jahren erkennt sich ein Kind im Spiegel selbst und es setzt eine natürliche, rigorosere Abgrenzung gegenüber der Mutter ein - das nannte man früher die “Trotzphase” und heute sagen wir korrekterweise “Autonomiephase” dazu.


Wenn die altersgerechte Eigenständigkeit durch die Bindungspersonen (häufig die Mutter) dauerhaft nicht gewahrt wird, dann entsteht ein Autonomietrauma.


Das Kind wird dieses Grundbedürfnis durchsetzen wollen und lernt, dass es das nur mit radikaler Abgrenzung, bzw. (emotionaler) Distanzierung möglich ist.

Und diese Strategie behält der Mensch auch in erwachsenen Beziehungen bei.

Häufige Fragen zu Bindungstrauma und die Antwort

  • Ja. Wenn die Mutter sowohl (emotional) unverfügbar war, als auch übergriffig und kontrollierend. Dann entsteht sowohl eine Angst vor Nähe, als auch vor Distanz.

  • Es gibt eine Theorie, die besagt, dass wenn man die Beziehung mit einer “Hinzu-Bewegung” retten konnte, man zum Heteronomietypen wird. Und wenn das nicht möglich war, dann wird man Autonomietyp. Das ist meiner Auffassung nach nicht korrekt. Es geht nur um die tiefe Angst: die Angst vor Nähe gegenüber der Angst vor Distanz.

  • In der Regel dominiert ein Spektrum. Entweder die Angst vor Nähe ist größer, oder es ist eben die Angst vor der Distanz. Wir haben natürlich alle beide Anteile in uns. Also das Bedürfnis nach Nähe, wie auch das Bedürfnis nach Autonomie.

  • Gar kein Typ. Im traumageheilten Zustand leben wir unser Bedürfnis nach Nähe sowie auch nach Autonomie voll aus. Sobald es eine Angst vor Autonomieverlust oder Bindungsverlust gibt, befindet sich der Mensch in einem Bindungstrauma. Wir brauchen als Erwachsene weder Angst davor zu haben, dass uns jemand auf Beziehungsebene unsere Eigenständigkeit “wegnimmt”, aber auch nicht davor, dass wir verlassen werden.

  • Das ist die Schutzfunktion. Eigentlich möchte auch der Autonomietyp Beziehung und Nähe. Doch da ist der Glaubenssatz, dass Bindung automatisch mit einem vollständigen Verlust der Eigenständigkeit einhergeht. Deswegen wehrt sich das System unter anderem mit Flucht und emotionaler Kälte. Außerdem ist der Autonomietyp primär auf sich selbst fokussiert und wirkt deswegen weniger warm.

  • Der Autonomietyp hat in der Kindheit gelernt: “Ich kann mich nur auf mich selbst verlassen!” “Wenn ich mich nicht (mental) abgrenze, dann werde ich von meinem Umfeld regelrecht übernommen. Dieser Glaubenssatz begleitet den Autonomietypen durch das Leben.

  • Ganz eindeutig der Heteronomietyp. Denn er hat Schwierigkeiten den Fokus auf sich selbst zu legen. Er ist mit dem Kopf bei der Bindungsperson, bzw. bei der (nicht vorhandenen) Beziehung. Der Autonomietyp dagegen hat schon als Kind gelernt sich emotional vom Umfeld zu distanzieren. Und deswegen leidet er weniger direkt. Allerdings ist im Autonomietypen häufig eine große, unterdrückte Traurigkeit.

  • Um diese Frage zu beantworten, müsste man das Wort “Narzisst” definieren. Wenn wir die populäre Bezeichnen verwenden (und nicht die wissenschaftliche Version), dann ist ein Narzisst ein extremer Autonomietyp, ja.

  • Beide Typen leiden unter mangelndem Selbstwert. Der Autonomietyp hat als Kind gelernt: “Meine Meinung ist nichts wert.” und der Heteronomietyp: “Ich bin nicht liebenswert.”

  • Nein. Auch wenn es so anmutet, dass erwachsene Beziehungserfahrungen z.B. einen Heteronomietypen zum Autonomietypen machen und andersherum. Sobald eine neue Beziehung nur lang genug anhält, fällt diese “Fassade des neuen Typen” und das alte Muster springt wieder an. Eine Beziehungserfahrung kann also nur eine weitere Schutzfunktion vorschalten, den Ursprungstyp allerdings nicht ersetzen.

  • Ja. Durch das entsprechende Verhalten (siehe Artikel) ist eine Reinszenierung (und damit gewissermaßen eine Retraumatisierung) praktisch vorprogrammiert. Und die Bestätigung der Erfahrung aus der Kindheit verstärkt die Angst (vor Kontrolle, bzw. Verlust)

Heilung des Bindungstraumas

Ein Bindungstrauma (Autonomietrauma / Heteronomietrauma) ist ohne professionelle Hilfe nicht zu lösen.

Oftmals hört man jedoch von Ratschlägen wie:

“Teile einfach deine Bedürfnisse mit.”

oder

“Verhalte dich entgegen deines Musters.”

Das ist jedoch nicht einfach möglich. Denn die seit der Kindheit verinnerlichten Verhaltensmuster lassen sich nicht einfach über den Verstand verändern.

Ich habe bereits etlichen Menschen aus ihrem Bindungstrauma heraus geholfen.

Wenn du meine Unterstützung brauchst, dann bewirb dich jetzt gerne um einen Termin für ein unverbindliches und kostenfreies Beratungsgespräch:

Wenn aktuell keine Plätze für das Beratungsgespräch frei sind, rate ich dazu, dass du dich schnellstmöglich einträgst. Denn je eher dein Name auf der Liste erscheint, desto eher rückst du nach.

Alexander Bohley

hilft Menschen aus Bindungs- und Entwicklungstrauma

Zurück
Zurück

Was ist Trauma?

Weiter
Weiter

Die drei größten Fehler von Traumatherapeuten